Eine Mistkröte namens Herbst

By | Oktober 25, 2006

Oh, goldner Herbst, wie trügerisch bist Du.

Schon bald wird Matsch dort sein, wo sich jetzt edle Pfade durchs Unterholz winden.

Oh, goldner Herbst, Du alte Mistkröte.

Warum bist Du so schwach, dass Du schon morgen vorbei sein kannst und fortan Deine nasskalte Kehrseite zeigst? Der eisige Wind wird peitschen, das erste Sibirientief lauert schon hinter den Wipfeln. Warum dauerst Du nicht einfach bis März?

Perfekte Herbsttage bedeuten für den Läufer eine unmenschliche mentale Prüfung. Sekunden des Genusses wechseln sich ab mit Stunden des Zweifels. Vorbei die Tage, als man mit geschwellter Brust mitten durch den Biergarten am Schlachtensee galoppierte und fest überzeugt war davon, dass man anerkennendes Frauengeraune hinter sich gehört hatte, das niemandem sonst gelten konnte als dem elastisch dahinfedernden Megaläufer.

Aus und vorbei. Der Ausdauersportler ahnt, was auf ihn zukommt. Schnee statt Frauen auf den Bierbänken. Einsamkeit des Winterläufers. Motivation – was war das gleich noch? Wie zum Teufel rettet man die ohnehin nicht dolle Form durch den Winter?

Es wird eisig sein, dunkel und seelisch schmerzhaft. Die Anziehungskraft der warmen Höhle wird wieder übermenschlich, das Tal der Unlust noch tiefer als die Jahre zuvor. Dass der Wald ab November walkerfrei sein wird, ist nur ein schwacher Trost.

Auszug aus: http://www.spiegel.de/achilles/ 😉

Die Achilles Verse ist eine regelmässige Kolumne, die in SPIEGEL ONLINE zu lesen ist.